Als mein Mann und ich zum ersten Mal die Kirche besuchte, die wir jetzt unser „Zuhause” nennen, fiel uns Jack auf. Er war damals Mitte fünfzig und musste zweifellos viel leiden. Das zeigte sich an seinem schwerfälligen Gang, seiner langsamen Sprache und seiner leicht gebeugten Haltung. Das Auffälligste an Jack war jedoch nicht sein Leiden, sondern die Freude, die er ausstrahlte.

Unsere Kirche ist eine Gemeinschaft von Gläubigen, die in vielerlei Hinsicht typisch kanadisch ist. Wir sind freundlich, höflich und zurückhaltend in unseren sonntäglichen Gottesdiensten – mit Ausnahme von Jack. Da er Probleme mit Hören hat, sitzt Jack immer ganz vorne und betet voller Hingabe. Mit ausgestreckten Händen und nach oben gerichtetem Blick singt er Hymnen und Lobpreislieder, persönlich bewegt von jedem einzelnen Wort. Während der Predigt ruft Jack „Amen!” in den sonst stillen Altarraum. Manchmal zitiert Jack nach dem Gottesdienst einen Bibelvers als Antwort auf die Predigt.

Ganz gegenwärtig, erfüllt vom Heiligen Geist und voller Freude verkörpert Jack die Worte aus Hebräer 13,15: „So wollen wir durch Jesus Gott jederzeit ein Dankopfer bringen. Denn mit dem Lob aus unserem Mund bekennen wir uns zu ihm.“

Nach und nach erfuhren wir Jacks Geschichte.

In den frühen Morgenstunden des 25. Dezember 1979 war der 20-jährige Jack auf dem Heimweg von einer Party. Angesichts des vielen Alkohols, den er konsumiert hatte, hielt er es für sicherer, zu Fuß zu gehen. Ein Freund, der auf derselben Party war und ebenfalls viel Alkohol intus hatte, wollte mit dem Auto nach Hause fahren. In hoher Geschwindigkeit überfuhr sein Freund eine gelbe Ampel beim links abbiegen, und da er nach dem Abbiegen seine hohe Geschwindigkeit beibehielt, konnte er nicht mehr bremsen und erfasste Jack, der tragischer Weise gerade die Straße überquerte.

„Und dann: Peng!“ beschreibt es Jack. „Ich wurde 20 Meter durch die Luft geschleudert.” Jack landete mit dem Kopf voran auf dem Asphalt und lag fast vier Monate lang im Koma. Der Oberarzt, der ihn behandelte, sagte, er werde wahrscheinlich nie wieder aus dem Koma erwachen, und wenn doch, werde er nie wieder laufen oder sprechen können. „Aber wisst ihr was?“ sagt Jack: „Weil wir einen wundertätigen Gott haben, kann man mich nicht aufhalten, und man kann mich nicht zum Schweigen bringen!“ Als Jack am 8. April 1980 aus dem Koma erwachte, wurde er vom Krankenhaus in ein Rehabilitationszentrum verlegt, wo er weitere vier Monate verbrachte um zu lernen, zu gehen, zu sprechen, sich anzuziehen und zu essen.

„Wie ich schließlich nach Hause zurückkehrte“, fuhr Jack fort: „Nahm ich das gleiche Leben wieder auf: Party! Party! Party!” Seine Nahtoderfahrung lieferte ihm viele Geschichten, die er in Bars und an anderen Orten, an denen Alkohol in Strömen floss, erzählen konnte. Im Dezember 1992 erzählte er seine Geschichte in einer Bar einer attraktiven Barkeeperin, die zufällig Christin war. Nachdem sie von Jacks schrecklichem Unfall und seinem unglaublichen Überleben gehört hatte, lud sie ihn zu einem Jugendtreffen ein. Der mittlerweile 33-jährige Jack war darüber verwundert, doch nahm die Einladung an.

Bei dem Treffen sangen die Jugendlichen „Jesus liebt mich” und Jack war erstaunt, dass er es mitsingen konnte. „Ich hatte das Lied seit meinem achten Lebensjahr nicht mehr gehört,”, sagt er, „aber ich kannte noch den Text.” Jack fragte den Jugendpastor, wann der Sonntagsgottesdienst stattfinden würde. Und zum ersten Mal seit Jahrzehnten ging Jack an diesem Sonntag in die Kirche.

Der Pastor hielt eine Predigt über die Erlösung, basierend auf 1.Johannes Kapitel 5. Vers 12 veränderte Jacks Leben.

„Als der Pastor die Worte sprach: ‚Wer an den Sohn Gottes glaubt, hat das Leben;‘ traf mich das wie ein Blitzschlag mitten ins Herz.” Jack schlug sich auf die Brust, um die Wirkung zu verdeutlichen. „Und ich wusste, dass ich verändert war. Ich wusste, dass ich wiedergeboren war, dass er mich berührt hatte!” Er hielt inne und klopft sich erneut auf die Brust, um auszudrücken, was seine Worte nicht ausdrücken konnten. Seine Augen leuchteten und sein Lächeln überstrahlte alle Anzeichen von Schmerz, Verletzung und Verlust, während er den Text eines Liedes zitierte: „Weil er lebt, kann ich dem Morgen entgegensehen. Weil er lebt, ist alle Angst vorbei … und das Leben ist lebenswert, nur weil er lebt.”

Trotz seiner Kämpfe ertappe ich mich dabei, wie ich das begehrte, was Jack hat. „Strebt aber nach den größeren Gaben!”, sagte der Apostel Paulus im 1.Korinther 12,31, kurz bevor er die berühmten Zeilen über die Eigenschaften der Liebe im 1.Korinther 13 schrieb. In Übereinstimmung mit den Worten des Apostels freut sich Jacks Herz „über die Wahrheit” (13,6) der Liebe Gottes, die ihm entgegengebracht wird. Er freut sich über das Geschenk der Erlösung, das er erhalten hat, und über das Leben in Fülle, das er durch die Begegnung mit Jesus gefunden hat. Jacks Freude gehört sicherlich zu den „besten Gaben.”

Ich bin nicht die einzige, die von Jack inspiriert wurde. Er sagt, dass ihm viele Menschen sagen, dass sie seine Offenheit schätzen. Ich vermute, dass Jacks Beispiel ihnen eine gewisse Freiheit gibt, genau wie mir. Es ermutigt jeden von uns, uns selbst die Erlaubnis zu geben, die Fesseln der höflichen Zurückhaltung abzulegen, unserer eigenen Sehnsucht nach Gott zu erlauben, die Oberflächlichkeit zu durchbrechen und mit Hingabe anzubeten.