Eines Abends betrachteten meine Frau und ich von unserer Terrasse aus den Sonnenuntergang. Wir blieben dort, bis die Sterne zu sehen waren. Wie gewöhnlich erschien als Erster der Abendstern. Nach ungefähr einer Stunde war er noch immer das hellste Licht am Himmel dieser mondlosen Nacht. Sein stetes Glänzen überstrahlte mit Leichtigkeit den funkelnden Glitzerwettbewerb.

Der Abendstern hat natürlich einen unfairen Vorteil, denn es handelt sich ja in Wirklichkeit um den Planeten Venus, der sich da als Stern verkleidet. Wie der Mond strahlt er kein eigenes Licht aus, sondern reflektiert lediglich das Licht der Sonne.

Plötzlich wurde ich mir einer Tatsache bewusst. Wenn Mond und Venus so hell leuchten können, trotz einer solch matten Oberfläche und selbst völlig lichtlos sind, dann brauche ich mir wirklich keine Sorgen zu machen über die Indexzahl meiner eigenen geistigen Ausstrahlung – meinen Grad an Güte oder Göttlichkeit, so wie andere oder ich selbst ihn wahrnehmen. Alles, was ich zu tun habe, ist, da zu sein, um Gottes Licht zu reflektieren, wenn Er mich mit Seinem Licht anstrahlt. Diese Erkenntnis bedeutet für mich jedoch nicht, mich gehenzulassen und so etwas wie ein geistiger Gammler zu werden. Doch zu wissen, dass ich nicht etwas sein muss, was ich gar nicht bin, ist befreiend.

Diese Entdeckung warf ein ganz neues Licht auf einen bekannten Bibelvers: „Jetzt sehen wir die Dinge noch unvollkommen, wie in einem trüben Spiegel.“ 1 Ich hatte das immer auf meine Wahrnehmung von Gott und auf geistige Realitäten bezogen. Aber nun erkannte ich, wie der Vers ebenso auf die Umkehrung passte: wie andere in mir Gott erkennen können, der in mir gespiegelt wird. Egal wie sehr ich es versuchen mag, ich kann meine eigene Natur ebenso wenig ändern, wie ein Planet oder der Mond sich selbst in einen Stern verwandeln kann. Diese Transformation ist etwas, das Gott bewirkt, wenn Er über mir leuchtet. Ich mag zwar nicht die glänzendste, reflektierende Oberfläche besitzen, aber Sein Licht ist hell genug, um mich zu einem Seiner „Sterne“ zu machen.

  1. 1. Korinther 13,12