Mein 3-jähriger Sohn spielte am Computer ein Lernspiel, als seine 6-jährige Schwester, Alondra, darauf bestand, sie sei jetzt an der Reihe. Seine Antwort war typisch: „Ich war zuerst da!“

Ich weiß nicht, wo mein Sohn das aufgeschnappt hatte, aber es machte mich nachdenklich. Es ist ein allgemein anerkanntes Prinzip der menschlichen Gesellschaft, dass diejenigen, die „zuerst da sind“, mehr Rechte haben als diejenigen, die nach ihnen kommen. Der Erste, der seinen Fuß auf ein unberührtes Stück Land setzt, ist berechtigt, es in Besitz zu nehmen. Der Erste, der eine Perle im Meer findet oder der auf eine Goldader oder eine Ölquelle stößt, darf sie für sich beanspruchen. Der Erste, der eine wissenschaftliche Entdeckung oder Erfindung macht, kann ein Patent anmelden und den daraus resultierenden Gewinn für sich beanspruchen. Der erste, der sich an einem bestimmten Platz am Strand niederlässt, ist für den Rest des Tages Eigentümer dieses Fleckchens.

Im Fall meiner Kinder, wenn eines schon eine halbe Stunde am Computer saß, sage ich ihm oder ihr, jetzt sei es an der Zeit, zur Abwechslung mal den anderen dran zu lassen. Wahrscheinlich gehen die meisten Eltern auch so vor. Wenn wir das gleiche Prinzip aber auf alle Aspekte in der Gesellschaft anwenden würden, gäbe es das absolute Chaos. Kannst du dir einen Landbesitzer vorstellen, der sagt: „Dieses Stück Land hatte ich nun schon eine ziemliche Weile und es wird Zeit, dass sich ein anderer daran erfreuen kann.“ Oder kannst du dir jemanden vorstellen, der eine gute Arbeit hat und sie an jemand anderen abgibt, der keine Arbeit und wenig Geld hat?

Diese Beispiele sind ziemlich extrem, aber wie wäre es mit kleinen Gesten von Selbstlosigkeit? Wie oft siehst du Leute auf einem Sitzplatz im Bus oder in der U-Bahn, die ihn anderen, die gerade eingestiegen sind, anbieten, einfach nur, weil diese so aussehen, als ob sie sich darüber freuen würden, ihre müden Beine auszuruhen? Sind kleine Opfer wie diese zu viel verlangt? Oder scheitert es oft einfach daran, dass wir sonst niemand sehen, der so ein Opfer bringt und auch niemand wirklich so etwas von uns erwarten würde?

Genau betrachtet ist es purer Egoismus, und derartige Selbstsucht ist Teil unserer sündhaften menschlichen Natur. Aber die Liebe Jesu kann uns helfen, aus diesen alten Gewohnheiten auszubrechen. „Wenn ihr gebt, werdet ihr erhalten“, lehrte Er uns. „Was ihr verschenkt, wird – zusammengepresst und gerüttelt – in einem vollen, ja überreichlichen Maß zu euch zurückfließen. Nach dem Maß, mit dem ihr gebt, werdet ihr zurückbekommen.“ 1 Das sind heutzutage gewiss revolutionäre Konzepte. Wie klammern wir uns doch an unsere selbstsüchtigen Rechte! Aber genau diese gebende, selbstlose Form der Liebe ist eigentlich das, was Gott von uns allen von Anbeginn an wollte – und Seine Liebe kann uns dabei helfen, das zu erreichen. Wenn wir diese Art von Liebe praktizieren würden, sähe unsere Welt ganz anders aus.

  1. Lukas 9,38