Es ist zwar ganz natürlich, dass wir uns eine Meinung über Menschen bilden, jedoch ist diese allzu oft negativ. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schnell das geht, und ich bete oft, dass Gott mich stoppt, sobald die ersten kritischen oder selbstgerechten Gefühle anderen gegenüber in mir aufkeimen. Wir wissen alle, laut der Bibel ist es falsch, so über andere zu denken. Es spiegelt nicht wider, wie Jesus ist. Selbst wenn unsere Wahrnehmung technisch korrekt ist, kann sie lieblos oder oberflächlich sein, und in den allermeisten Fällen berücksichtigt sie nicht alle Faktoren, die dazu führen, wieso eine Person auf eine bestimmte Weise handelt oder reagiert.

Ich denke, die allgemeine menschliche Schwäche, zunächst vom Negativen auszugehen und daraus Schlussfolgerungen zu ziehen, zeigt, wie wichtig es für uns ist, aktiv und kontinuierlich daran zu arbeiten, die Gesinnung Christi anzunehmen. Es bedarf einer bewussten Anstrengung, zu vermeiden, in diese negativen Tendenzen zu verfallen. Wir meinen oft, die Situation zu kennen und richtig einzuschätzen, aber in Wirklichkeit sehen wir nur einen Teil des Gesamtbildes.

Können wir wissen, was in den Gedanken oder im Herzen eines anderen Menschen vor sich geht? Können wir in die Seele eines Menschen schauen und die privaten Details seines Lebens ergründen? Natürlich können wir das nicht.

Wenn wir die Motive einer Person nicht kennen, wir mit ihren Handlungen oder Ansichten nicht einverstanden sind oder sie uns auf die Nerven geht, ist es leicht, daraus zu schließen, dass ihre Motive eher falsch als richtig sind. Wenn wir jedoch auf Jesus schauen und Ihm erlauben, unsere Gedanken zu lenken, kann Er uns helfen, Seine Sicht der Dinge anzunehmen.

Wir wissen, es ist falsch, andere zu kritisieren, weil es Gott missfällt und im Widerspruch zu Seinem Wort steht. Aber wie der Apostel Paulus sagte: „Ich begreife mich selbst nicht, denn ich möchte von ganzem Herzen tun, was gut ist, und tue es doch nicht. Stattdessen tue ich das, was ich eigentlich hasse.“ 1

Die Überwindung unserer sündigen menschlichen Natur ist ein ständiger Prozess. Eingebunden in diese Welt zu sein, beeinflusst uns auch, und wir müssen unsere Einstellung mit der Lehre Jesu in Einklang bringen. Dazu gehört auch, „die widerstrebenden Gedanken zu bezwingen und zu lehren, Christus zu gehorchen.“ 2

Wir alle können uns an Zeiten erinnern, in denen unsere Worte von anderen missverstanden, ungerecht beurteilt, unsere Handlungen missdeutet und unsere aufrichtigen Bemühungen aus Misstrauen oder vorgefassten Meinungen heraus abgelehnt wurden. Das tut weh. Es kann sehr entmutigend sein. Wir wissen noch genau, dass etwas, was wir getan oder gesagt haben, nur ein unbeholfener oder ungeschickter Versuch war, verstanden, geliebt oder anerkannt zu werden, und andere beurteilen uns dennoch so, als wollten wir sie oder jemand anderen absichtlich verletzen. Da wir wissen, wie sich das anfühlt, sollten wir uns im Klaren darüber sein, dass andere vielleicht in derselben Situation sind, und wenn das der Fall ist, haben wir die Möglichkeit, dabei zu helfen, ihren Schmerz zu lindern.

Unabhängig davon, ob die Person, die wir kritisieren, recht hat oder nicht, ist es falsch, wenn wir uns von einer kritischen Einstellung beeinflussen lassen. Ich weiß, ich habe mich selbst schuldig gemacht, vorschnelle Urteile über Menschen zu fällen, und oft haben sich diese Urteile als irrtümlich erwiesen.

Deshalb habe ich begonnen, diese negative Angewohnheit in eine positive umzuwandeln, indem ich Gott um Seine Meinung zu der jeweiligen Situation bitte. Er erinnert mich daran, eine Art Spiel zu spielen, das Compassion Game (Mitgefühlsspiel), bei dem ich über mögliche Szenarien oder Gründe nachdenke, warum das, was mir negativ erscheint, in Wirklichkeit ein Hilferuf dieser Person sein könnte. Vielleicht bin ich mit Gottes Unterstützung in der Lage, diesem Bedürfnis auf irgendeine Weise zu begegnen. Die Hilfe, die ich anbieten kann, mag manchmal in erster Linie durch Gebet erfolgen, aber das macht sie nicht weniger wirksam.

Die Bibel lehrt uns, an das Gute, das Schöne, das Gütige, das Liebevolle zu denken und Mitgefühl und Barmherzigkeit zu haben, anstatt das Schlimmste anzunehmen. 3 Je mehr ich mich darin übe, meine Gedanken von Gott auf das Gute lenken zu lassen, desto mehr mache ich mir diese Reaktion zur Gewohnheit.

Die folgenden, weisen Worte können uns helfen, eine positive Grundeinstellung zu entwickeln: „Man lernt selbst etwas am gründlichsten, wenn man es jemand anderem beibringt!“ Wenn wir als Eltern und Großeltern mit unseren Kindern und Enkelkindern zusammen sind, können wir die Erfahrungen, die wir gemacht haben, an sie weitergeben. Wenn wir Kindern das Compassion Game beibringen, hilft es ihnen, nicht nur Mitgefühl für andere zu entwickeln, sondern es lehrt sie auch Demut, Verständnis und wie man Gebet richtig einsetzt, um im Leben anderer etwas zu verändern. Es kann ihnen helfen zu lernen, andere so zu behandeln, wie sie selbst behandelt werden möchten, und sogar, wie sie ihre eigenen Kämpfe und Unzulänglichkeiten in einem positiven Licht sehen können.

Das Compassion Game ist ein Spiel, das du wahrscheinlich zunächst alleine spielen wirst, aber die Segnungen und Vorteile wachsen umso mehr, wenn du das Gelernte mit anderen teilst.

  1. Römer 7,15 NL.
  2. 2. Korinther 10,5
  3. Vgl. Philipper 4,8; Römer 9,15.