„Wen möchten Sie hier besuchen?“, fragte mich die zierliche dunkelhaarige Krankenschwester, als ich im Wartebereich des Krankenhauses saß, einen Tee schlürfte und in einer Zeitschrift blätterte.
„Meinen Neffen“, gab ich lächelnd zur Antwort. „Er schläft gerade und deshalb warte ich hier.“
„Oh, er braucht wirklich Besuch. Er ist ja noch ein Kind“, sagte sie in ihrer mütterlichen Art. Obgleich mein fast erwachsener Teenager-Neffe mich an Körpergröße überragt, wenn er nicht gerade in einem Krankenhausbett dahinsiecht, kann ich mich doch noch an seine Pausbäckchen und pummeligen Beinchen erinnern, als ich ihn als drei Monate altes Baby zum ersten Mal in meinen Armen hielt.
Die Schwester, ebenso wie der freundliche Pfleger vor dem Zimmer, der mir zeigte, wie der Plastikkittel zu tragen sei, der den ganzen Körper bedeckte, sprach mit Zuneigung von meinem Neffen. „Wir machen uns Sorgen um ihn. An manchen Tagen kommt niemand vorbei, um ihn zu besuchen.“ Ich nickte zustimmend. Auch wenn er in Quarantäne lag und Chemotherapie bekam, war es doch nicht so, dass wir alle jeden Tag zu jeder Zeit hereinschauen konnten.
Ein wenig später gab mir mein Neffe während des Gesprächs seine Handynummer und sagte, er würde sich darüber freuen, wenn ihn mehr Leute anrufen würden. In diesem Moment empfand ich noch stärker als zuvor, dass jegliche Ausreden äußerst mager erscheinen würden. Ist es wirklich so schwer, einmal zum Telefon zu greifen?
Ich selber war als Kind kränklich, sowie als Teenager und in meinen Zwanzigern. Ich erinnere mich, ans Bett gefesselt gewesen zu sein, während meine robusteren Geschwister und Freunde draußen herumsprangen, die frische Luft und den Sonnenschein genossen, Fahrrad fuhren, mit ihren Kameraden spielten und Spaß hatten. Es war schwer, mit dem Gefühl der Frustration über die Schwachheit meines Körpers umzugehen. Und jeder Besuch von Menschen, die mich nach meinem Ergehen fragten, bedeutete mir viel. Während der Zeit meiner Krankheit fühlte ich mich oft einsam, aber jetzt, da ich gesund bin, erfinde ich Ausreden. „So gut kenne ich ihn doch gar nicht.“ … „Er findet mich vielleicht gar nicht so cool.“ … „Wieso sollte er Zeit damit verbringen wollen, um mit seiner Tante zu plaudern?“
In unserer modernen hektischen Zeit versuchen wir, Arbeit und Kinder, Haushalt und Haustiere, Einkäufe und andere Verpflichtungen unter einen Hut zu bringen. Wir leben in einer Ära größter Herausforderungen, was den Faktor Zeit anbelangt. Aber wenn wir eines Tages Jesus begegnen, wird Er nicht sagen: „Du warst ziemlich beschäftigt, dennoch konntest du Zeit finden, diesen dicken Roman zu lesen oder deine Fußnägel zu lackieren. Toll gemacht!“ Vor 2000 Jahren regelte Er freundlich unsere Prioritäten, als Er sagte: „Ich war hungrig, … ich war durstig, … ich war ein Fremder, … ich war nackt, … ich war krank, … ich war im Gefängnis und ihr habt mich besucht.“ [Siehe Matthäus 25:34-40] Bei solcher Klarheit fallen Nebensächlichkeiten einfach weg.