In jeder Klasse gibt es einen Schüler, der schwerer zu lieben ist als die anderen; das ungehobelte, mürrische oder ungehorsame Kind, eines, das einfach nicht mit dem Rest der Klasse Schritt hält. Die Herausforderung für den Lehrer: Berücksichtigen wir, dass dieses Kind mit Schwierigkeiten konfrontiert sein könnte, von denen wir nichts wissen, und zeigen wir deshalb Gnade und Barmherzigkeit? Lassen wir dieses Kind mit seinen Problemen oder seinem Unglück allein oder suchen wir nach dem Diamanten im Rohmaterial? Vielleicht kann unsere Sanftmut den Wendepunkt im Leben eines Kindes bedeuten.
Mit manchen Schülern musst du dich auf das Wesentliche beschränken. Wenn du sie für jedes Missgeschick korrigierst, macht das das Leben für dich, für sie und für den Rest der Klasse miserabel. Das ist der Zeitpunkt, an dem du dich daran erinnern solltest, dass Liebe eine Vielzahl von Fehlern überdeckt. (Sieh 1.Petrus 4,8.)
In den Evangelien gibt es ein Gleichnis über einen Mann, der große Schuld auf sich geladen hatte. Der Verwalter nahm die Liste mit den Schulden des Mannes und teilte sie in zwei Hälften. Er sagte sich, dass der Schuldner wohl einen Teil der Schulden bezahlen könnte, aber wenn er ihn zwingen würde, alles zu bezahlen, würde der Mann entmutigt werden und davonlaufen, ohne seinen Verpflichtungen nachzukommen. (Sieh Lukas 16,1-13.)
Das erinnert mich an Schüler, die die Schule abbrechen, weil sie so entmutigt sind, dass sie glauben, sie könnten nie alles schaffen, was von ihnen erwartet wird.
Als Lehrer mache ich mir also eine gedankliche Liste. Was sind die grundlegenden Dinge, die ich von diesem Schüler erwarten sollte? Ganz oben auf der Liste steht Respekt – denn wenn wir uns gegenseitig Respekt entgegenbringen, öffnen wir die Tür für einen Dialog auf einer reifen Ebene. Respekt ist auch eine Form von Liebe und Akzeptanz, etwas das was wir alle brauchen! Dies ist nicht die Zeit, um sich über unordentliche Papiere, einen verlorenen Stift oder ein vergessenes Buch sich auszulassen. Aber es ist eine Zeit, in der wir uns auf die wichtigsten Grundlagen des Lehrplans konzentrieren und dem Schüler helfen, einige Stolpersteine zu überwinden, bis er sich sicher fühlt und zumindest in einigen Bereichen den süßen Geschmack des Erfolgs genießen kann.
Die anderen Schüler scheinen meine Taktik immer zu durchschauen, und ich erhalte von ihnen eine stille Solidarität. Niemand hat sich je darüber beschwert, dass ich mit zweierlei Maß messe oder dass ich bei „diesem Kind” etwas nachsichtiger bin oder ihm etwas mehr Aufmerksamkeit schenke. Es tut uns allen gut, jemandem zu helfen, der hinterherhinkt, sei es in unserer Familie oder in unserem Bekanntenkreis. Im Leben geht es nicht darum, wer als Erster am Ziel ankommt, sondern darum, einander zu helfen, damit wir alle das Ziel erreichen können.