Nach einem anstrengenden Arbeitstag hatten mein Kollege und ich noch einen letzten Auftrag. Wir beluden unseren Transporter mit Schulmaterial und brachten es zu einer kleinen Bibliothek. Diese Bibliothek befindet sich in einer eher verruchten Gegend und obwohl es nur ein großer Container mit behelfsmäßigen Regalen ist, bietet es den Kindern eine sichere Umgebung zum Lernen. Es ist ein großartiges Projekt.
Ein wichtiger Aspekt der Bibliothek ist, dass sie genau zwischen zwei Bandengebieten liegt. Das bedeutet, dass die Kinder nicht belästigt werden, weil sie auf dem Weg zum Lernen das „Revier” des anderen betreten.
Dort angekommen, parkten wir am Straßenrand und warteten auf den Mann, der die Bibliothek leitet. Wir unterhielten uns und hörten Musik. Nach einer Weile bemerkten wir, dass sich viele Jugendliche auf der Straße versammelt hatten. Sie sahen uns mit verwunderten Blicken an.
Wir dachten uns nichts dabei, nickten jedem zu, der Blickkontakt aufnahm, und warteten weiter. Irgendwann gingen sie weg und der Mann, auf den wir gewartet hatten, kam.
Als wir anfingen, die Bücher auszuladen, fragte er uns, ob wir mehr Jugendliche als sonst bemerkt hätten. Als wir das bejahten, sagte er zu uns: „Die beiden Banden hatten sich versammelt, um sich zu prügeln, aber als sie euch sahen, beschlossen sie aus Respekt vor eurer Arbeit, bis zu einem anderen Zeitpunkt zu warten.”
Ich war sprachlos und versuchte zu begreifen, wovor wir nur knapp entkommen waren. Fast schweigend fuhren wir nach Hause. Ich drehte mich meinem Partner zu und bemerkte, welchen Frieden wir doch die ganze Zeit über hatten und keinerlei Angst verspürten. Während wir Musik hörten und uns unterhielten, war uns nicht bewusst, dass da Gefahr lauerte.
Das erinnerte mich an ein Poster, das ich als Kind hatte. Es zeigte eine Familie, die in ihrem Haus beim Essen saß, während draußen ein Sturm tobte. Um das Haus herum schützten zwei Hände die Familie und sorgten für Frieden inmitten des Sturms.
Wenn wir mit dem Psalmisten sagen: „Beschütze mich, Gott, denn bei dir suche ich Zuflucht!“ (Psalm 16,1), dann können wir sicher sein, dass er es tut. Jeden Tag führt er mich, und ich weiß nie, vor welchen Gefahren und Nöten er mich eigentlich bewahrt. Ob ich die Bedrohung nun sehe oder nicht, er kann mir Sicherheit und Seelenfrieden geben, wo immer ich bin.