In der Nacht der Geburt Jesu hüteten die Hirten auf den Hügeln von Bethlehem ihre Herden. Plötzlich erschien ihnen ein Engel des Herrn und die Herrlichkeit des Herrn, sein Licht und sein Glanz, umstrahlten sie. Der Engel sagte ihnen, dass sie sich nicht zu fürchten brauchten und dass er eine gute Nachricht für sie habe. Dann verkündete er ihnen, dass in dieser Nacht, in der Stadt Davids, der Retter geboren worden sei, Christus, der Herr. Als Zeichen dieser Verkündigung sagte der Engel ihnen, dass sie das Kind in einer Futterkrippe liegend und in Windeln gewickelt finden würden (Lukas 2,8-12).
Unmittelbar nach dieser überraschenden Ankündigung erschien eine Schar himmlischer Heerscharen, die Gott lobten und sagten: „Ehre sei Gott im höchsten Himmel und Frieden auf Erden für alle Menschen, an denen Gott Gefallen hat!“ (Lukas 2,13-14). Als das Licht der Herrlichkeit Gottes, die Engel und die Heerscharen verschwanden, beschlossen die Hirten, sofort nach Bethlehem zu gehen, um zu sehen, wovon Gott ihnen erzählt hatte.
In den jüdischen Schriften gibt es Hinweise darauf, dass Hirten im Israel des ersten Jahrhunderts einen sehr niedrigen sozialen Status hatten. Das lag zum einen daran, dass sie ständig auf dem Feld waren und nicht alle religiösen Gesetze einhalten konnten, und zum anderen daran, dass sie ihre Schafe oft ohne Erlaubnis auf fremdem Land weiden ließen. Vor diesem Hintergrund ist es umso bemerkenswerter, dass sich diese Ankündigung an die Hirten richtete, die in gewisser Weise als Außenseiter galten.
In Bethlehem fanden die Hirten Maria, Josef und das Kind genau so vor, wie der Engel es ihnen angekündigt hatte. Es wäre für sie nicht ungewöhnlich gewesen, Jesus in einer Krippe zu finden, in Tücher gewickelt, im Hauptraum eines Bauernhauses, mit den Tieren im Stallbereich, denn höchstwahrscheinlich wurden ihre Kinder nach bäuerlichem Brauch ebenso gewickelt. Ein Kind in eine Futterkrippe zu legen, war vermutlich nicht üblich, aber eine praktische Lösung in überfüllten Unterkünften.
Außergewöhnlich war für sie, dass ein Kind, dessen Geburt ihnen von einem Engel in Begleitung einer himmlischen Heerschar angekündigt worden war, in einem Stall außerhalb des Dorfes geboren wurde, wo auch die Lämmer für die Opfer im Tempel geboren wurden und wie diese Lämmer in dieselben besonderen Tücher gewickelt wurde, die einst die Unterkleider der Priester waren. Die Hirten – Menschen von niedrigem Stand, arm und bescheiden – entdeckten in dieser Nacht, dass der Messias, der Retter der Welt, als einfacher Bauer geboren wurde, genau wie sie selbst es waren.
Das Lukasevangelium berichtet, dass die Hirten „Gott priesen und lobten für das, was der Engel ihnen gesagt hatte und was sie gesehen hatten”, und dass sie „allen erzählten, was geschehen war und was der Engel ihnen über dieses Kind gesagt hatte” (Lukas 2,17-20). Jesus war für die Armen und Bedürftigen, die Niedrigen und Unterdrückten gekommen, nicht nur für die, die einen guten Ruf hatten. Die Botschaft lautete: Jeder ist willkommen, Gottes Heilsgabe gilt allen.
Das Matthäusevangelium erzählt vom Besuch der Weisen aus dem Morgenland, die einen besonderen Stern gesehen hatten, den sie als Vorzeichen für die Geburt eines Königs der Juden deuteten. Auf der Suche nach dem König reisten sie nach Jerusalem und fragten bei ihrer Ankunft, wo dieses Kind sei, das König werden sollte, damit sie ihm huldigen könnten (Matthäus 2,1-2).
Als König Herodes davon hörte, war er beunruhigt, denn die Geburt eines neuen Königs könnte eine Herausforderung für seinen Thron bedeuten. Er rief die Hohepriester und Schriftgelehrten zusammen, um zu erfahren, wo ein solches Kind geboren werden sollte, und sie sagten ihm, dass die Geburt, der Heiligen Schrift nach, in Bethlehem sein würde. Die religiösen Führer wussten zwar, dass die Heilige Schrift besagte, wo der Messias geboren werden sollte, aber sie hatten keine Ahnung, dass er bereits geboren war. Obwohl Bethlehem nur fünf Meilen von Jerusalem entfernt lag, gibt es keine Aufzeichnungen darüber, dass die religiösen Führer das Kind besucht hätten.
Herodes traf sich heimlich mit den Weisen, um herauszufinden, wann sie den Stern gesehen hatten. Nachdem er diese Information erhalten hatte, schickte er sie nach Bethlehem mit dem Auftrag, den Aufenthaltsort des Kindes zu melden, damit auch er ihm huldigen könne (Matthäus 2,3-8). Die Weisen verließen Jerusalem, fanden Jesus und seine Familie, fielen vor ihm nieder, huldigten ihm und überreichten ihm Geschenke aus Gold, Weihrauch und Myrrhe (Matthäus 2, 9-11).
Nachdem sie den neugeborenen König gefunden hatten, wurde den Weisen im Traum befohlen, nicht zu Herodes zurückzukehren. Als Herodes erfuhr, dass sie das Land verlassen hatten, ohne ihm zu sagen, wo das Kind zu finden war, wurde er zornig. Er befahl seinen Soldaten, alle männlichen Kinder unter zwei Jahren in Bethlehem und Umgebung zu töten, um jeden Anwärter auf seinen Thron auszuschalten.
Was wollte Matthäus mit diesem Teil seiner Erzählung vermitteln, abgesehen von der Schilderung dieser Ereignisse? Herodes und die religiösen Führer Jerusalems wussten nicht, dass der verheißene König geboren war, was zeigt, dass Gott den religiösen oder politischen Führern kein Zeichen gegeben hatte. Die heidnischen Weisen hingegen hatten ein Zeichen in der Natur gesehen, den Stern. Sie machten sich auf die Suche nach dem neugeborenen König und sahen schließlich den Erlöser und beteten ihn an. Matthäus wollte damit sagen, dass das von Gott verheißene Heil nicht nur Israel, sondern auch den Heiden, also allen Menschen gilt.
Lukas erzählt, dass Jesus nach seiner Geburt von seinen Eltern in den Tempel von Jerusalem gebracht wurde, um ihn dem Herrn zu weihen. Als sie dort ankamen, sah sie ein alter, frommer Jude namens Simeon. Gott hatte Simeon gesagt, dass er nicht sterben würde, bevor er den Christus, den Messias, gesehen hätte. Als er Jesus sah, umarmte er ihn und lobte: „Herr, nun kann ich in Frieden sterben! Wie du es mir versprochen hast, habe ich den Retter gesehen, den du allen Menschen geschenkt hast. Er ist ein Licht, das den Völkern Gott offenbaren wird, und er ist die Herrlichkeit deines Volkes Israel!” (Lukas 2,29-32).
Simeons Gebet spricht von der Erlösung aller Menschen – Juden und Nichtjuden. Wie bei den Weisen geht es um die Botschaft von der Erlösung aller Menschen durch Christus. Gottes Sohn ist für alle auf die Erde gekommen.
Simeon aber segnete sie und sagte zu Maria: „Dieses Kind wird von vielen in Israel abgelehnt werden, und das wird ihren Untergang bedeuten. Für viele andere Menschen aber wird er die höchste Freude sein. Auf diese Weise wird an den Tag kommen, was viele im Innersten bewegt“ (Lukas 2,34-35). Nachdem Simeon das Heil sowohl für Juden als auch für Heiden angekündigt hatte, prophezeite er auch, dass es innerhalb Israels eine Ablehnung Jesu geben würde. Die einen würden glauben, die anderen nicht; es werde zu einer Spaltung unter den Menschen kommen, da die Gedanken der Menschen offenbart würden.
Im Lukasevangelium werden also die gering geschätzten Hirten, Zeugen einer übernatürlichen Verkündigung durch einen Engel, und das Kind ist ein Bauernkind – ein deutliches Zeichen dafür, dass er für die einfachen Menschen gekommen ist. Und da ist die Prophezeiung eines frommen Juden im Tempel, dass der Messias für alle da ist, auch wenn er von einigen abgelehnt wird. Im Matthäusevangelium folgt auf das in der Natur sichtbare Zeichen des Erlösers die Ankunft der heidnischen Weisen, was wiederum bedeutet, dass das Heil für alle da ist.
Die Botschaft, die sich durch alle Evangelien zieht, ist, dass Jesus für die ganze Menschheit gekommen und für das Heil aller gestorben ist. „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern das ewige Leben hat” (Johannes 3,16). Das ist die frohe Botschaft von Weihnachten. Das ist die Botschaft, die die Engel verkündeten, die Botschaft, die der Stern den Heiligen Drei Königen brachte, und die Botschaft von der Liebe Gottes, die wir in unseren Herzen tragen und mit anderen teilen sollen.