In den meisten Ländern wird Neujahr am 1. Januar gefeiert. Aber in Kambodscha, wo ich drei Jahre lang lebte, hatten wir das Neujahrsfest innerhalb der 365 Tage tatsächlich dreimal gefeiert.
Als Erstes findet das das internationale Neujahr statt, bekannt für die Mitternachtspartys an Silvester und dem Kater am Morgen danach.
Dann folgt das chinesische Neujahr im Januar oder Februar. Beim chinesischen Neujahrsfest werden Feuerwerkskörper angezündet, Verwandte besucht und unechtes Papiergeld für die Vorfahren verbrannt.
Und dann kommt das kambodschanische Neujahr. Es ist das wichtigste Neujahrsfest. Während der zwei Wochen vor den Feierlichkeiten reist so ziemlich jeder zu seinem Geburtsort, wo man Verwandte besucht, um den Ahnen Respekt zu erweisen. Die Neujahrsfeierlichkeiten selbst dauern drei oder vier Tage und finden gemäß dem internationalen Kalender Mitte April statt. Dieses Neujahrsfest ist nicht nur der wichtigste Festtag des Jahres, für manche ist es auch die einzige Zeit, in der sie Urlaub haben können – und jeder nimmt sich dafür frei.
Der erste Tag des kambodschanischen neuen Jahrs charakterisiert gemäß der Tradition den Amtsantritt neuer Engel. Sie kommen, um ein Jahr lang Sorge für die Welt zu tragen. Die Menschen säubern und schmücken ihre Häuser und bereiten Früchte und Getränke vor, um die Engel in jedem Heim willkommen zu heißen. Die Älteren meditieren oder beten, Kinder spielen traditionelle Spiele und Unverheiratete halten Ausschau nach einem oder einer Lebenspartner/-in.
Der zweite Tag gehört dem Überreichen von Geschenken an die Ältesten. Auch viele Arbeitgeber verteilen Geschenke an ihre Mitarbeiter, und Menschen spenden Geld oder Kleidung für die Armen. Am Abend besuchen die Leute die Tempel und bitten die Mönche um den Segen für Glück und Frieden.
Am Abend des dritten Tages endet das Neujahrsfest mit einem zeremoniellen Bad.
Eine Gemeinsamkeit, die allen drei Neujahrsfesten innewohnt, ist, dass jedes Fest eine Zeit darstellt, in der man das eigene Leben überdenkt, neue Ziele setzt und beschließt, im neuen Jahr einiges besser zu machen.
Eigentlich kann jeder Tag ein Neuanfang sein, weil jeder Tag eine neue Chance bietet, Dinge zu verbessern. Wir mögen zwar einiges der vergangenen Tage noch aufarbeiten müssen, aber wir können Mut aus der Zusage der Bibel schöpfen: „Gottes Liebe und Gnade sind jeden Morgen neu” [siehe Klagelieder 3:22-23] Anstatt also ein- oder vielleicht sogar dreimal pro Jahr „Frohes Neues Jahr” zu sagen, sollten wir uns lieber täglich einander einen „Frohen Neuen Tag” wünschen, denn jeder Tag bietet eine erneute Gelegenheit, dem Leben das Beste abzugewinnen.