Seit Jahren wird viel über die psychologischen und emotionalen Vorteile der Vergebung geschrieben. Sie kann einen Menschen von Wut, Angst, Bitterkeit und dergleichen befreien. Es kann jemandem helfen, im Leben voranzukommen und sich nicht von der Vergangenheit aufhalten zu lassen. All das ist wahr und sollte jeden von uns motivieren, Vergebung zu üben, und sei es nur, um uns selbst zu helfen, auch wenn uns gefühlsmäßig nicht danach ist.
Aber als Nachfolger Christi haben wir noch einen anderen Grund zu vergeben, einen viel wichtigeren. Gott hat uns jede Sünde, jeden Fehler und jede Missetat vergeben, die wir je begangen haben oder noch begehen werden. Unsere Weste ist reingewaschen. Deshalb haben wir vor Gott die Pflicht, auch anderen zu vergeben. Das hat Jesus zum Ausdruck gebracht, als er seine Jünger beten lehrte: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir denen vergeben haben, die an uns schuldig geworden sind.” (Matthäus 6,12). Weiter sagte Jesus: „Wenn ihr denen vergebt, die euch Böses angetan haben, wird euer himmlischer Vater euch auch vergeben. Wenn ihr euch aber weigert, anderen zu vergeben, wird euer Vater euch auch nicht vergeben.” (Matthäus 6,14-15)
In Matthäus 18 erzählt Jesus eine Geschichte, um dieses Konzept zu veranschaulichen: Ein Knecht schuldete dem König 10.000 Talente. (meinen Recherchen nach entsprach ein Talent etwa 6.000 Denar oder etwa 10 Jahresgehältern. 10.000 Talente würden etwa 100.000 Jahresgehältern entsprechen – eine astronomische Summe!)
Als der Knecht nicht zurückzahlen konnte, befahl der König, ihn mit seiner Frau, den Kindern und seinem ganzen Besitz zu verkaufen, um die Schuld zu begleichen. Der Knecht fiel auf sein Gesicht und bettelte um Zeit und Gnade. Der König ließ sich erbarmen und beschloss, dem Knecht die Schulden vollständig zu erlassen und ihn von der Rückzahlung zu befreien.
Auf dem Heimweg traf der vergebene Knecht einen Mitknecht, der ihm 100 Denare (etwa dreieinhalb Monatslöhne) schuldete, packte ihn am Hals und verlangte die sofortige Rückzahlung. Der Mitknecht flehte um Gnade und bat um Zeit, um ihn zurückzuzahlen. Stattdessen schleppte er den Mann ins Gefängnis und sorgte dafür, dass er erst wieder herauskam, wenn er seine Schulden vollständig beglichen hatte.
Einige Mitknechte sahen, was geschehen war, und berichteten dem König, der daraufhin den vergebenen Knecht rief und sagte: „Du herzloser Knecht! Ich habe dir deine großen Schulden erlassen, weil du mich darum gebeten hast. Müsstest du da nicht auch mit diesem Knecht Mitleid haben, so wie ich Mitleid mit dir hatte?” Der König war so zornig, dass er den Mann ins Gefängnis werfen ließ, bis er seine Schulden bezahlt hatte. (Matthäus 18,32-34).
Jesus beendet diese Geschichte mit den Worten: „Genauso wird mein Vater im Himmel mit euch verfahren, wenn ihr euch weigert, euren Brüdern und Schwestern von Herzen zu vergeben.” (Matthäus 18,35)
Ostern kann eine Zeit sein, in der wir über Gottes große Liebe und Vergebung für jeden von uns nachdenken und unsere Herzen überprüfen, ob es jemanden gibt, dem wir noch nicht vergeben haben. Mir hat es geholfen, mich daran zu erinnern, dass Vergebung kein Gefühl ist; wir müssen uns nicht danach fühlen, zu vergeben. Wir müssen uns auch keine Gedanken machen, dass etwas nicht stimmt, wenn wir, nachdem wir vergeben haben, immer noch negative Gefühle gegenüber der Person empfinden. Wenn wir an unserer Entscheidung, zu vergeben, festhalten, können wir darauf vertrauen, dass diese negativen Gefühle nachlassen und wir schließlich den Beweis haben, dass wir wirklich von Herzen vergeben haben.