Als Teenager habe ich eine wichtige Lektion in Dankbarkeit und Positivität gelernt. Ich arbeitete in einem Altenheim, wo ich mich um zwei Damen kümmerte, die beide um die 90 waren. Sie lebten in benachbarten Zimmern und erhielten beide die gleiche Aufmerksamkeit und Pflege.
Darcy war eine sehr anspruchsvolle Dame. Ihre Tochter kam oft zu Besuch und fuhr mit ihr im Rollstuhl spazieren, aber während Familienbesuche für die meisten Bewohner etwas Besonderes sind, war Darcy nie sehr glücklich. Nichts war gut genug! Das Essen war nicht nach ihrem Geschmack, die Betreuung unzureichend, und so ging es immer weiter. Ihr Zimmer wirkte immer etwas düster, dunkel und wenig einladend.
Und dann war da noch Grace. Ich habe ihren Namen nie vergessen, weil er ihren Charakter widerspiegelte: Sie war anmutig und positiv. Niemand hat sie je besucht. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob sie noch Verwandtschaft hatte, aber das hatte keinen Einfluss auf ihre Stimmung. Sie war immer heiter und fröhlich, egal was passierte. Jedes Mal, wenn ich an ihrem Zimmer vorbeikam, wollte ich einen Blick hineinwerfen und etwas von der optimistischen Atmosphäre auf mich wirken lassen, die sie umgab.
Ich erinnere mich an zwei Ereignisse mit Grace, die mich sehr beeindruckt haben. Das eine geschah, als ich ihr aus dem Bett half und in den Rollstuhl. Irgendwie rutschte sie aus meinem Griff und fiel – Gott sei Dank – zurück aufs Bett und nichts passierte. Es war aber für mich ein unangenehmer Moment. Bei dem Gedanken, was hätte passieren können, wurde mir ganz schlecht. Darcy hätte für den Rest des Tages allen umstehenden lautstark ihren Unmut kundgetan. Aber Grace lachte nur darüber und wies darauf hin, wie ungeschickt sie geworden war. Ich atmete erleichtert auf. Ihre Reaktion beruhigte mich. Gleichzeitig machte sie mich neugierig auf ihr Geheimnis, dass sie auch in unangenehmen Momenten so fröhlich sein lies.
Der zweite Anlass war, als ich eines Tages mit Grace spazieren ging. Ich half ihr beim Anziehen und wir gingen los. Das Heim lag in einem Dorf, aber wenn man aus dem Tor herauskam, konnte man nur eine sehr lange, staubige Straße mit hohen Betonmauern auf beiden Seiten entlang gehen. Es war kein besonders inspirierender Ort zum Spazieren. Ab und zu fuhr ein Auto vorbei und füllte die Luft mit Smog und Staub. Ich gehe gerne zu Fuß, aber dieser Ort hatte etwas Deprimierendes. Während ich Grace in ihrem Rollstuhl schob und mir das durch den Kopf ging, unterbrach sie die Stille mit einem Lächeln und sagte: „Heute ist so ein schöner Tag! Die Sonne macht alles so fröhlich!”
Ich blickte auf und sah, dass der Himmel tatsächlich blau war und die Sonne mit angenehmer Wärme und Licht schien. Dann zeigte sie auf den einzigen Rest von Natur in Sichtweite – ein winziges Unkraut, das aus einem Ritz in der Mauer wuchs. „Oh, sieh mal dieses schöne Pflänzchen! Wie schön!” Ich hätte mich fast verschluckt.
Von da an wollte ich lernen, wie Grace positiv und optimistisch zu sein und lieber das Gute als das Schlechte zu sehen. Es ist eine Gewohnheit, die sich mit der Zeit entwickelt, wenn wir uns bei jeder Gelegenheit auf das Positive konzentrieren. Indem wir negative Gedanken zurückweisen und durch positive ersetzen, stärken wir diese Gewohnheit. Am Anfang kann es eine Herausforderung sein, aber mit der Zeit wird es immer leichter, bis es zur zweiten Natur wird. In Römer 12,2 heißt es: „Deshalb orientiert euch nicht am Verhalten und an den Gewohnheiten dieser Welt, sondern lasst euch von Gott durch Veränderung eurer Denkweise in neue Menschen verwandeln. Dann werdet ihr wissen, was Gott von euch will: Es ist das, was gut ist und ihn freut und seinem Willen vollkommen entspricht.“
Der Apostel Paulus kannte dieses Prinzip. Er schrieb in Philipper 4,8: „Und nun, liebe Freunde, lasst mich zum Schluss noch etwas sagen: Konzentriert euch auf das, was wahr und anständig und gerecht ist. Denkt über das nach, was rein und liebenswert und bewunderungswürdig ist, über Dinge, die Auszeichnung und Lob verdienen”. Wir täten gut daran, diesen zeitlosen Rat zu beherzigen. Grace hat es getan. Ich glaube, sie hat sich ihr ganzes Leben lang auf das Positive konzentriert, bis es ihr zur zweiten Natur wurde.