Wenn wir die Evangelienberichte über das Leben Jesu lesen, fällt uns sofort auf, dass Jesus Mitgefühl und Freundlichkeit gegenüber Menschen aus allen Gesellschaftsschichten zeigte und seine Jünger lehrte, dasselbe zu tun. Wir sehen dies in den Gleichnissen, die er lehrte, wie z.B. in der Geschichte vom barmherzigen Samariter, der Mitleid mit einem zusammengeschlagenen Fremden zeigte, indem er seine Wunden verband, ihn in eine Herberge brachte und die Kosten aus seiner eigenen Tasche bezahlte 1.

Im Gleichnis vom verlorenen Sohn verlangte ein junger Mann von seinem Vater sein Erbe, was damals so viel wie: „Ich wünschte, du wärst tot” hieß, und machte sich davon, um das ganze Erbe zu verprassen. Als er nach Hause zurückkehrte, heißt es in der Geschichte: „Voller Liebe und Mitleid lief er seinem Sohn entgegen, schloss ihn in die Arme und küsste ihn” 2.

Während seines Wirkens sah Jesus oft Situationen, in denen Menschen in Not waren, und er wurde von Mitleid ergriffen, um ihnen zu helfen 3. Ein gutes Beispiel dafür ist das Wunder der Brote und Fische, wie es im Matthäusevangelium erzählt wird:

Da rief Jesus seine Jünger zu sich und sagte: „Mir tun diese Menschen leid. Sie waren nun drei Tage lang bei mir, und jetzt haben sie nichts mehr zu essen. Ich will sie nicht hungrig wegschicken, sonst könnten sie unterwegs zusammenbrechen.“ Die Jünger erwiderten: „Wo sollen wir hier in dieser verlassenen Gegend genügend zu essen für alle hernehmen?“ Jesus fragte: „Wie viele Brote habt ihr dabei?“ Sie antworteten: „Sieben, und ein paar geräucherte Fische.“ Da wies Jesus die Menschen an, sich hinzusetzen. Er nahm die sieben Brote und die Fische, dankte Gott, zerteilte sie und gab sie den Jüngern, die das Essen an die Menge weitergaben. Alle aßen, bis sie satt waren, und als am Ende die Reste eingesammelt wurden, waren sogar sieben große Körbe voll übrig! An diesem Tage wurden viertausend Menschen satt, Frauen und Kinder nicht mitgerechnet 4.

An einer anderen Stelle im Lukasevangelium lesen wir, wie Jesus einer trauernden Witwe die Hand reicht, deren einziger Sohn gerade gestorben war und zum Begräbnis gebracht werden sollte. Als der Herr sie sah, empfand er großes Mitleid mit ihr und sprach zu ihr: „Weine nicht”. Dann hieß Jesus den Jüngling aufstehen und gab ihn seiner Mutter zurück 5.

Während seiner Zeit auf Erden war Jesus ein lebendiges Beispiel für die Eigenschaften seines Vaters, zu denen auch die Barmherzigkeit gehörte. Im ganzen Alten Testament lesen wir von der Barmherzigkeit Gottes: „Wie sich ein Vater über seine Kinder zärtlich erbarmt, so erbarmt sich der Herr über alle, die ihn fürchten” 6.

„Der Herr hat sein Volk getröstet und sich seiner Elenden erbarmt” 7.

Die Worte „Mitgefühl” und „Empathie” werden heutzutage häufig verwendet, aber was genau ist Mitgefühl? Wörterbücher definieren es als „ein Gefühl tiefen Mitfühlens mit Gefühlen der Fürsorge, Zuwendung und Wärme, verbunden, mit dem Wunsch und der starken Motivation, etwas zu tun, damit es dem anderen besser geht.

Eines der hebräischen Wörter im Alten Testament, das mit „Mitgefühl” übersetzt wird, ist mit dem hebräischen Wort für „Schoß” verwandt und drückt das schützende Mitgefühl von Eltern für ein hilfloses Kind aus – ein tiefes Gefühl, das sich in selbstlosem Handeln äußert. Das Wort wird im Allgemeinen im Zusammenhang mit dem Mitgefühl Gottes verwendet, wie zum Beispiel im Buch Exodus, wo es heißt: „Ich bin der Herr, der barmherzige und gnädige Gott. Meine Geduld, meine Liebe und Treue sind groß” 8.

Eines der im Neuen Testament am häufigsten verwendeten Wörter für Mitgefühl ist mit dem griechischen Wort für „innerlich” verwandt und bezieht sich auf den Sitz der menschlichen Gefühle. Der Begriff vermittelt die Vorstellung, dass man im Innersten seiner Gefühle bewegt wird, was zu Taten der Güte und Barmherzigkeit führt. Ein anderes Wort, sumpathes, bedeutet, mit dem anderen mitzuleiden.

Mitgefühl bedeutet, eine starke Anteilnahme für die Situation oder den Zustand einer anderen Person zu haben und etwas tun möchten, um sie zu verändern. Es geht darum, die Dinge für jemanden in Not besser zu machen. Es ist kein Mitgefühl ohne etwas zu tun und sei es nur ein freundliches Wort oder ein Gebet, einfach jemandem in seiner Trauer oder seinem Kummer beizustehen, zu unterstützen und seine Besorgnis zum Ausdruck zu bringen.

Es kann auch bedeuten, etwas zu unternehmen, um die Situation oder die Umstände zu ändern. Es kann bedeuten, zu protestieren, um ungerechte Gesetze zu ändern und für soziale Gerechtigkeit zu sorgen. Es kann bedeuten, Zeit und Mühe zu investieren, um die Hungrigen zu speisen, den Waisen zu helfen, die Kranken und Trauernden zu besuchen, das Evangelium mit anderen zu teilen oder den Bedürftigen auf andere Weise zu helfen.

Mitgefühl ist eng verbunden mit Empathie – der Fähigkeit, sich mit den Gefühlen eines anderen zu identifizieren und sie zu teilen, sich in seine Lage zu versetzen, um zu verstehen, was er oder sie aus seiner oder ihrer Sicht erlebt. Kurz gesagt: Mitgefühl ist ein Teil von Liebe.

Die Bibel sagt uns: „Da Gott euch erwählt hat, zu seinen Heiligen und Geliebten zu gehören, seid voll Mitleid und Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftheit und Geduld” 9. Doch wie können wir diesen Aspekt der Liebe pflegen? Ein guter Anfang ist, über das Gebot Jesu nachzudenken: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst” 10. Wenn wir lernen, in den Schuhen anderer zu gehen, fällt es uns leichter, freundlich und mitfühlend zu sein.

Es hilft auch, über das Wirken Jesu nachzudenken. Er sah Menschen in Not – die Blinden, die Hungrigen, die Trauernden, die Kranken, die sozial Ausgestoßenen – und anstatt wegzuschauen und vorbeizugehen, nahm er sie wahr, blieb stehen und handelte. In unserem hektischen Leben ist es leicht, andere, die kämpfen und Not leiden, zu übersehen, so sehr mit unseren eigenen Problemen, Bedürfnissen und Sorgen beschäftigt zu sein, dass wir die Menschen um uns herum nicht wirklich wahrnehmen.

Etwas anderes, das uns helfen kann, barmherziger zu sein, ist, uns der Liebe des Herrn zu uns bewusst zu machen – und uns daran zu erinnern, dass Gott, obwohl wir es nicht verdient haben, voller Fehler sind und gesündigt haben, zu unseren Gunsten gehandelt hat, und das sogar für einen hohen Preis. Gott hat seinen geliebten Sohn geopfert, um uns in unserer Not zu retten. Gott hat uns kostspieliges Erbarmen gezeigt, und wenn wir darüber nachdenken und ihn dafür loben und danken, werden wir dazu getrieben, auf andere mit seiner Liebe und seinem Erbarmen zu reagieren 11.

Jesus hatte Mitgefühl mit den Leidenden, den Ausgestoßenen, den Armen und Bedürftigen und lehrte seine Jünger, es ihm gleichzutun. Er sagte, dass wir jedes Mal, wenn wir einem Hungrigen zu essen geben, einen Fremden beherbergen, einen Kranken oder Gefangenen besuchen, es für ihn tun 12.

Vielleicht denken wir, dass unsere Bemühungen, anderen zu helfen, im Vergleich zu Jesus, der Gott war und mächtige Wunder vollbringen konnte, schwach sind. Aber Mitgefühl für andere zu zeigen, kann für einen Leidenden wie ein Wunder wirken. Eine kleine Geste der Freundlichkeit kann einen großen Unterschied in ihrem Leben machen und ihnen den Mut geben, weiterzumachen.

Jesus in unser Herz aufzunehmen und von Gottes Geist erfüllt zu sein, ist der Schlüssel, um diese Art von Mitgefühl für andere zu haben. Wenn wir seine Liebe durch die enge Gemeinschaft mit ihm erfahren und in unserem Alltag über seine Gnade und Güte nachdenken, hilft uns das, im Bewusstsein seiner Liebe zu uns persönlich zu leben. Wenn wir seine Barmherzigkeit, Großzügigkeit und bedingungslose Liebe erfahren, sind wir besser in der Lage, sein Mitgefühl und seine Freundlichkeit zu verkörpern und seine Liebe durch uns auf andere fließen zu lassen.

Jesus hat anderen mitfühlend gedient, und als seine Jünger sind wir aufgerufen, dasselbe zu tun.


  1. Lukas 10,30-35
  2. Lukas 15,11-32
  3. Matthäus 14,14
  4. Matthäus 15,32-38
  5. Lukas 7,12-15
  6. Psalm 103,13
  7. Jesaja 49,13
  8. Exodus 34,6
  9. Kolosser 3,12
  10. Matthäus 22,39
  11. 1. Korinther 5,14-15
  12. Matthäus 25,37-40