Schon seit meiner Schulzeit hatte für mich der Beginn eines neuen Tagebuches einen ganz besonderen Reiz. Diese wunderbar duftende weiße erste Seite, ganz sauber und perfekt, ohne Eselsohren und Knicke, war so einladend und vielversprechend! Das lag wohl daran, dass ich nicht gerade ordentlich war und hier erneut die Chance erhielt, endlich meine Handschrift zu verbessern, oder ich war vielleicht einfach nur erfreut darüber, etwas Neues beginnen zu können. Unweigerlich wurde ich im Laufe der Zeit wieder nachlässig und konnte es kaum erwarten, das alte Tagebuch beiseitezulegen und wieder ein neues zu beginnen.

Später übertrug ich dieses Gefühl der Erwartung auf jeden neuen Jahreskalender. Es gibt sie in allen Formen und Größen, von den großen, dicken, luxuriösen bis hin zu den kleinen, einfachen im Taschenformat, die prima in mein kleinstes Täschchen passen. Dann gibt es die elektronischen Kalender, welche die Papierkalender verdrängten.

Einige Jahre später änderte sich etwas an meiner Perspektive. Wegen gestiegener beruflicher Verantwortungen, die ein höheres Maß an Organisation erforderten, begann ich, auch einen großen Wandkalender zu benutzen, der es mir erlaubte, das ganze Jahr im Überblick zu sehen und die wichtigsten Ereignisse des Jahres einzutragen.

Dann änderte sich mein Blickwinkel erneut. Ich verspürte den Wunsch nach einer jährlichen Vision, ich wollte nicht mehr nur ein paar nette saubere weiße erste Seiten zu Beginn des Jahres vor mir haben. Es ist prima, mit Begeisterung, guten Vorsätzen und besten Absichten einen Anfang zu machen. Wie das Sprichwort sagt: „Gut begonnen ist halb gewonnen“. Aber ich lernte auch, wie wichtig es ist, den ganzen Weg bis zum Ziel zu planen und zu entwerfen, meine Kräfte zu bemessen und einzuteilen und mir bewusst zu machen, es würde einige Schritte benötigen, um ans Ziel zu gelangen, ganz zu schweigen von den unvermeidlichen Stürzen auf dem Weg dorthin.

So gesehen, können in diesem Fall die besten Seiten des Tagebuchs durchaus erst am Ende kommen oder irgendwann mitten drin.