Bei einer kürzlich durchgeführten Leistungsbewertung war ich überrascht, als ich das Resultat, meine Mitarbeiter empfänden mich nicht als besonders ermutigend, erhielt. Das traf mich schwer, weil ich mein Motivationsvermögen immer als eines meiner Stärken ansah und ich dachte intensiv darüber nach, was Ermutigung eigentlich ist. Mir wurde klar, ich verstand es gut, Menschen zu „ermutigen“, wenn sie etwas nach meinem Willen taten oder meine Standpunkte einnahmen, aber schwach darin war, jemanden zu loben, wenn das Lob nicht dazu diente, ein von mir gewünschtes Ergebnis zu erzielen.

Mir wurde klar, wie leicht man Ermutigung mit Manipulation verwechseln kann. Ohne böse Absichten erweckte ich wohl manchmal den Eindruck, die Menschen müssten etwas tun, um mir zu gefallen, anstatt sie für das wertzuschätzen, was sie gegenwärtig sind, unabhängig davon, inwieweit sie sich verbessern.

Nachdem ich dieses Verhalten in meinem beruflichen Alltag erkannte, sah ich dessen Auswirkungen auch überall und nirgends so deutlich wie in meinem Erziehungsstil. Wie oft hörten meine Kinder Sätze wie „Das schaffst du!“, oder „Ich weiß, dass du das kannst!“

Diese Kommentare sind zwar nicht entmutigend, unterscheiden sich aber deutlich von Aussagen wie „Deine Anstrengungen heute waren beeindruckend!“, oder „Ich finde es toll, mit welchem Enthusiasmus du bei der Sache bist!“ Diese Bemerkungen enthalten keine Vorbehalte und bedeuten nicht, dass ich mir wünsche, sie würden ihre Leistung steigern.

Ich wünschte, ich könnte dir zum Schluss sagen, dass ich jetzt ein moderner Dale Carnegie bin, der bei allen in meinem Umfeld dafür bekannt ist, unglaublich ermutigend zu sein, aber ehrlich gesagt, habe ich noch einen langen Weg vor mir. Es ist nicht leicht, Erwartungen loszulassen, sei es an meine Familie, an meine Mitarbeiter oder an andere Menschen. Manchmal ist es schwer zu erkennen, dass ich Erwartungen habe, und ich mache mir auch Sorgen, sie würden sich weniger Mühe geben, wenn ich keine Erwartungen zu haben scheine.

Letzte Woche dann, als ich mich aus dem internen Kommunikationssystem abmeldete, sagte ich zu einer meiner Kolleginnen: „Ich schätze deinen Enthusiasmus, er spornt mich an, mein Bestes zu geben!“ Sie reagierte daraufhin mit einer Reihe von freudigen Emojis.

Danach schrieb ich jedem meiner Kinder eine Nachricht mit einer Bemerkung, was mir an diesem Tag an ihnen gefiel. Auch meinem Mann schickte ich eine SMS. Sie alle waren etwas überrascht, aber ich hoffe, sie gewöhnen sich daran!