Es gibt viel Leid auf dieser Welt. Das Thema des menschlichen Leidens zieht sich durch alle Epochen der Geschichte, während wir gemeinsam versuchen, seine Ursachen zu verstehen. Vor allem die Frage: Wie kann ein guter Gott Leid zulassen? Ehrlich gesagt, habe ich noch nie eine Antwort gehört, bei der ich gedacht hätte: „Oh, das macht Sinn. Ich habe jetzt kein Problem mehr mit dem Leiden – Krebs, Entführungen, Armut, Krieg und all die anderen Schrecken! Wenn ich ehrlich bin, scheint jede Antwort auf der leichten Seite einer Skala zu liegen, die so voll mit Tragödien ist.

Wenn ich in jüngeren Jahren jemanden fragen hörte, wie ein guter Gott solche schrecklichen Dinge zulassen kann, überkam mich eine Welle der Panik, als ob ich, wenn ich nicht das Richtige sage, den Glauben eines anderen Menschen an Gott zerstören würde. Aber wir alle kennen Menschen, die angesichts herzzerreißender Verluste, Leiden und Schmerzen ihren Glauben und ihr Vertrauen in Gott noch vertieft haben, oder deren Leiden sie überhaupt erst zu Gott geführt hat. Natürlich gibt es auch jene, deren Leiden und Kämpfe sie davon überzeugt haben, dass es keinen Gott gibt – oder wenn es ihn gibt, ihn das Leid seiner Geschöpfe wenig schert. Ich habe gelernt, dass es keine einfachen Antworten auf diese Fragen gibt.

Die Geschichte, in der Jesus Lazarus von den Toten auferweckt, bietet einige interessante Einsichten (sieh Johannes 11). Sie beginnt damit, dass Jesus erfährt, dass sein Freund Lazarus sehr krank ist. Er beschloss, noch zwei Tage da zu bleiben, wo er war, und machte sich erst auf den Weg zu Lazarus, als er wusste, dass er bereits tot war. Martha, die Schwester des Lazarus, eilte Jesus sofort entgegen.

„Herr”, sagte Martha zu Jesus, „wärst du hier gewesen, wäre mein Bruder nicht gestorben. Aber auch so weiß ich, Gott wird dir alles geben, was auch immer du ihn bittest.”

Jesus sagte zu ihr: „Dein Bruder wird auferstehen.”

„Ja“, erwiderte Marta, „am Tag der Auferstehung, wenn alle Menschen auferstehen.

Jesus sagte zu ihr: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt. Er wird ewig leben, weil er an mich geglaubt hat, und niemals sterben. Glaubst du das, Marta?”

„Ja, Herr”, antwortete sie. „Ich bin zu dem Glauben gekommen, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll.”

Dann erscheint Maria, die viel emotionaler ist…

Als Maria nun an die Stelle kam, wo Jesus war, und ihn sah, warf sie sich ihm zu Füßen und sagte: „Herr, wärst du hier gewesen, wäre mein Bruder nicht gestorben.”

Als Jesus die weinende Maria und die Leute sah, die mit ihr trauerten, erfüllten ihn Zorn und Schmerz. „Wo habt ihr ihn hingelegt?”, fragte er.

Sie antworteten: „Herr, komm mit und sieh.“

Da weinte Jesus.1

Die Geschichte erzählt weiter, wie Jesus Lazarus rief, dieser aufstand und das Grab verlies, obwohl er schon vier Tage tot war. Die meisten der Schaulustigen waren erstaunt und glaubten, dass Jesus der Messias sei. Aber einige glaubten immer noch nicht.

Marias Reaktion in dieser Geschichte ist so natürlich, so menschlich. Sie sagt: „Herr, wärst du hier gewesen, wäre mein Bruder nicht gestorben!” Sie kannte Jesu Heilungsdienst und wusste, dass er Lazarus hätte retten können. „Warum bist du nicht rechtzeitig gekommen. Wenn du gleich gekommen wärst, wäre es besser mit ihm geworden.” Das hätte ich wohl auch zu Jesus gesagt.

Was hat Jesus getan? Er hat geweint. Er konnte ihren Schmerz nachvollziehen. Jesus wusste bereits, dass er Lazarus von den Toten auferwecken würde, denn er hatte es zuvor in diesem Kapitel angekündigt. Aber der Schmerz derer, die er liebte, rührte ihn und er weinte mit ihnen.

Eine andere Sache, die mir auffiel, war, dass einige Menschen selbst nach solch einer glorreichen und wunderbaren Auferstehung immer noch nicht glaubten. Das bestätigt mir, dass es nicht darauf ankommt, wie ich diese Frage für andere beantworte, sondern wie ich sie für mich beantworte. Was ich aus dieser Geschichte lerne ist:

  • Jesus nimmt sich Zeit
  • Jesus taucht auf
  • Jesus weint
  • Jesus greift ein

Wir haben Jesus nicht leibhaftig um uns und eine Auferstehung von den Toten ist fast nie die Art und Weise, wie Gott eingreift, aber ich denke, dass er trotzdem alle diese Punkte erfüllt.

Ich glaube nicht, dass es eine für alle befriedigende Antwort auf die Frage gibt, wie Gott gut und liebevoll sein und gleichzeitig das schreckliche Leid, das die Menschheit tragen muss, zulassen kann. Vielleicht würden wir es selbst dann nicht verstehen, wenn er es uns erklären würde, weil wir einfach nicht wissen können, was er weiß oder sehen können, was er sieht. Aber wir können lernen, ihm zu vertrauen, doch niemand kann uns diese Entscheidung abnehmen.

  1. Johannes 11,21-27, 32-35