Das Wort „Theater” kommt mir in den Sinn, wenn ich an Ihn denke. Unsere erste Begegnung wird mir unvergesslich bleiben. Beim wöchentlichen Sabbat-Gottesdienst in der Synagoge sah ich Judit, eine alte Witwe mit schrecklich verkrümmtem Rücken, als sie auf diesen durchreisenden Rabbi zuging und Ihn um Hilfe bat. Als Nächstes stand sie plötzlich aufrecht da, das erste Mal seit Jahren! Wie war das nur möglich? [Siehe Lukas 13:10-13.]
Später sah ich Ihn noch öfter, meist aus der Entfernung. Gesund und relativ erfolgreich wie ich bin, verfolgte ich Seinen Fortschritt nicht, denn selbst brauchte ich keine Hilfe. Es geschah eher deswegen, weil ich Ihm einfach gerne zuhörte und es liebte, die Gesichter der Menschen zu beobachten, wenn Er ihren Schmerz linderte, sie heilte und ihnen Hoffnung gab. Alles an Ihm war bemerkenswert.
Weder hatte ich die Zeit noch die Absicht, alles hinter mir zu lassen und Ihm nachzufolgen, gleich Seinen engsten Vertrauten, aber es freute mich, wenn sich unsere Wege kreuzten. Er würde schon auftauchen, dachte ich mir, als ich zum Passahfest nach Jerusalem ging und wurde auch nicht enttäuscht. Wiederum war die Aufregung groß, als Er in die Stadt geritten kam. Die fröhliche Stimmung riss mich mit, und ich schwenkte Palmwedel in der Menschenmenge. Vielleicht würde Er tatsächlich die Welt verändern! Er war ein guter Mensch und wer weiß, vielleicht war Er sogar mehr als nur ein weiterer Gelehrter? Manche nannten Ihn den Messias, den Retter der Menschheit.
Doch die Gerüchte, die ich ein paar Tage später hörte, ließen mein Herz sinken – sie besagten, Er sei verhaftet worden. Als ich hörte, Er sei vor Pilatus gebracht worden, konnte ich es kaum glauben. Zum Tode verurteilt wie ein gewöhnlicher Krimineller? Das konnte bestimmt nicht wahr sein! Was hatte Er verbrochen, um so etwas zu verdienen? Natürlich war mir klar, die Priester des Tempels waren auf Seine Beliebtheit und Seinen Erfolg neidisch, aber das konnte doch kein ausreichender Grund sein, um Ihn den Römern zu übergeben.
Ich konnte es nicht ertragen, zur Hinrichtung zu gehen. Es erschien so ungerecht. Je mehr ich darüber nachdachte, desto weniger verstand ich, was geschehen war. Er hatte eine Botschaft der Liebe zu Gott und den Menschen verbreitet; Er ging umher und hatte den Hilflosen geholfen. Er hatte alles für andere aufgegeben. Als es darauf ankam, hätte Gott da nicht eingreifen und ein Wunder vollbringen können, um Ihn zu retten?
Ich wollte mit einigen Seiner engsten Vertrauten über meine verwirrten Gedanken sprechen, doch ich konnte sie nirgends finden. Es gab die Vermutung, sie würden sich verstecken. Deshalb kehrte ich in mein Dorf zurück, immer noch bestürzt und völlig verstört. Mir wurde bewusst, es gab keine Chance, Jesus noch einmal durch unseren Teil des Landes wandern zu sehen, und ich vermisste Ihn sehr. Dieser wunderbare Lehrer – ich glaube, Er war doch nur ein weiterer Gelehrter – war tot und begraben.
Sieben Wochen später hielt ich mich wieder in Jerusalem zum Schawuot auf– einem Fest, das die Übergabe der Gesetze an Mose feiert. Immer noch steckte ich voller Fragen, die ich mit Seinen Nachfolgern besprechen wollte. Da ich mich jedoch daran erinnerte, wie sie nach Seiner Hinrichtung verschwunden waren, machte ich mir nicht viel Hoffnung.
Weder in der Stadt noch in mir selbst schien sich etwas verändert zu haben. Seit dem Passahfest war ich bedrückt, und die Stadt selbst schien unter einem Schatten zu liegen, als ob sie sich schuldig fühlte, weil so viele ihrer Bürger die Hinrichtung eines unschuldigen Mannes unterstützt hatten.
Im Zentrum hielten sich Massen von Menschen auf, auch viele Ausländer. Dort sah ich sie wieder – und wie erwartet gab es eine riesen Aufregung. Sie gesund und wohlbehalten zu sehen, stimmte mich froh – froh um ihretwillen und auch um meinetwillen, da ich sie endlich fragen konnte, was passiert war. Doch bevor ich an sie herankommen konnte, begann einer der Männer zu sprechen. Laut und klar.
Hörte ich richtig? Jesus war getötet worden, das wusste ich natürlich – aber laut Petrus, war Er auch von den Toten auferstanden! Gebannt hörte ich ihm zu als er die Heiligen Schriften zitierte und auslegte. Er hielt auch seine Kritik an den Menschen nicht zurück, über die Art und Weise, wie sie sich bei Jesu Kreuzigung verhalten hatten. Doch er bot einen Weg der Versöhnung an: „Kehrt euch ab von euren Sünden und wendet euch Gott zu. Lasst euch alle taufen im Namen von Jesus Christus zur Vergebung eurer Sünden.“ [Apostelgeschichte 2:38]
Er sprach lange, erklärte viel und bat uns, Gottes Geschenk anzunehmen. Zwar konnte ich weder mit ihm noch mit den anderen persönlich sprechen. Doch das musste ich auch nicht. Ich öffnete mein Herz im Gebet; ich gab mich Ihm hin. Das war das Beste, was ich je getan habe! Jetzt helfe ich den anderen Gläubigen, die Nachricht zu verbreiten: Gott liebte uns so sehr, dass Er Seinen eigenen Sohn geschickt hat, um für uns zu sterben, damit wir gerettet werden konnten. [Siehe Johannes 3:16.]
Ja, Jesus wirbelt immer noch sehr viel Staub auf.