„Ein Mann befand sich auf der Straße von Jerusalem nach Jericho, als er von Räubern überfallen wurde. Sie raubten ihm seine Kleider und sein Geld, verprügelten ihn und ließen ihn halb tot am Straßenrand liegen.“ (Lukas 10,30) So beginnt das Gleichnis vom barmherzigen Samariter, eine der bekanntesten Geschichten der Bibel und vielleicht auch der Literatur.

Im Laufe der Geschichte kommen verschiede fromme Juden an dem unglückseligen Reisenden vorbei, tun aber nichts, um zu helfen. Schließlich erbarmt sich ein Samariter, ein Angehöriger einer ethnischen und religiösen Gruppe, die zur Zeit Jesu von den Juden gemieden wurde, des Opfers, verbindet seine Wunden und bringt ihn in eine Herberge, wo er verspricht, die Kosten für die Pflege des Mannes zu übernehmen.

Mit der Geschichte vom barmherzigen Samariter lehrte Jesus, dass unser Nächster jeder ist, der unsere Hilfe braucht, unabhängig von Rasse, Glauben, Hautfarbe, Nationalität, gesellschaftlichem Stand oder seinem Wohnort. Die Evangelien berichten von vielen Fällen, in denen Jesus Mitleid mit der Menge oder mit einzelnen Menschen hatte und sich veranlasst sah, ihnen zu helfen.

Das Lukasevangelium erzählt uns die Geschichte, wie Jesus den Sohn der Witwe von Nain von den Toten auferweckte. „Als der Herr sie sah, empfand er großes Mitleid mit ihr. ‚Weine nicht!‘, sagte er. Und er ging hinüber zur Bahre und berührte sie. Die Träger blieben stehen. ‚Ich sage dir‘, sprach Jesus, ‚steh auf!‘ Da setzte sich der Verstorbene auf und fing an zu sprechen! So gab Jesus ihn seiner Mutter zurück“ (Lukas 7,13-15).

Dem modernen Leser entgeht manchmal die Tragweite dieser Geschichten. Lukas ordnet dieses Wunder ein, indem er erzählt, dass Jesus an einem Tag in Kapernaum gepredigt hat und „am nächsten Tag“ in Nain war.

Nain ist fast 50 Kilometer von Kapernaum entfernt, mit einem Höhenunterschied von 400 Metern. Dieser beschwerliche, bergauf führende Weg dauert heute – auf asphaltierten Straßen – 10 bis 12 Stunden man kannst sich also vorstellen, wie viel Zeit und Mühe es Jesus und seine Jünger gekostet haben muss. Aber ich vermute, dass sein Herz bereits von Mitleid überströmt war, als der Vater ihn zu der Witwe führte. Er war nicht „zufällig“ an jenem Tag in Nain gelandet.

„Wie sieht die Liebe aus?“ fragte der heilige Augustinus. „Sie hat Augen, um Elend und Not zu sehen. Sie hat Ohren, um die Seufzer und den Kummer der Menschen zu hören. Sie hat Hände, um anderen zu helfen. Sie hat Füße, um zu den Armen und Notleidenden zu eilen.“

Die Barmherzigen geben ihren Gebeten Füße und lassen ihren freundlichen Worten auch freundliche Taten folgen. Das hat der barmherzige Samariter getan. Das hat Jesus getan. Und das können wir alle in unserem Leben tun, wenn wir unseren Glauben ausleben.