In einem der aussagekräftigsten und poetischsten Kapitel der Bibel, 1.Korinther 13, beschreibt Paulus die Liebe, die von Christen verkörpert werden sollte: „Die Liebe ist geduldig und freundlich. Sie ist nicht neidisch oder überheblich, stolz oder anstößig. Die Liebe ist nicht selbstsüchtig. Sie lässt sich nicht reizen, und wenn man ihr Böses tut, trägt sie es nicht nach. Sie freut sich niemals über Ungerechtigkeit, sondern sie freut sich immer an der Wahrheit. Die Liebe erträgt alles, verliert nie den Glauben, bewahrt stets die Hoffnung und bleibt bestehen, was auch geschieht. Die Liebe wird niemals aufhören.“ 1
Geduld steht ganz oben auf der Liste der Aufzählungen. Für mich ist das von Bedeutung. Denn frei und offen sowie beständig zu lieben auf die Art und Weise, wie Paulus sie beschreibt, setzt die Bereitschaft voraus, die Liebe bis zum Ende durchzuhalten. Wir können unseren Willen zu lieben, nicht nur für bestimmte Situationen und besondere Menschen reservieren. Wir können sie nicht einfach zurückhalten, wenn jene uns enttäuschen oder versagen. Geduld bedeutet zweierlei: Sie ist sowohl eine Grundvoraussetzung als auch der entscheidende Faktor, der den Schlussstrich unter allem setzt.
In älteren Bibelübersetzungen wird das griechische Wort für Geduld mit dem heute veralteten Wort „Langmut“ oder „langmütig“ übersetzt. Geduld reicht jedoch weiter und geht tiefer, als der Begriff Langmut. Der Duden definiert Langmut als eine „durch ruhiges, beherrschtes, nachsichtiges Ertragen oder Abwarten von etwas …“. Ein englisches Wörterbuch definiert das „nachsichtige Ertragen“ als „langanhaltendes und geduldiges Ertragen von Verletzungen, von Problemen, Ärger und Schwierigkeiten oder von Provokation.“ 2
Wie können wir uns aber dazu durchringen, jemandem weiterhin unsere Liebe zu zeigen, der uns oder andere verletzt hat? Bei der betreffenden Person „im Zweifel für den Angeklagten“ zu entscheiden, kann hilfreich sein. Ebenso kann es helfen, sich einzugestehen, dass auch wir andere durch Gedankenlosigkeit, Schusseligkeit oder lieblose Entscheidungen verletzt haben. Die beste Definition findet sich allerdings in der Bibel. In der Luther-Bibel heißt es über die Liebe: „Sie rechnet das Böse nicht zu.“ In der Neues Leben Bibel ist dieser Vers übersetzt mit den Worten: „wenn man ihr Böses tut, trägt sie es nicht nach“, das heißt, die Liebe führt kein „Sündenregister“. Die erlebten Verletzungen sind echte Wunden, und sie brauchen Zeit, um zu heilen. Doch wenn wir dem allzu menschlichen Drang widerstehen können, die Verletzungen immer wieder in unseren Gedanken in Erinnerung zu rufen und uns stattdessen zu der Entscheidung bringen können, zu vergeben und wahrhaftig zu vergessen, wird uns Gott die Liebe und Gnade schenken, bis zum Ende durchzuhalten. Und alle Beteiligten werden dabei gewinnen.