Eines meiner liebsten Bücher meiner Kindheit ist Betty und ihre Schwestern von Louisa May Alcott. Der Roman erzählt die Geschichte von vier Schwestern – Meg, Jo, Betty und Amy March – und deren Leben von der Kindheit bis zum Erwachsenwerden. Ich konnte Parallelen zu meiner eigenen Familie darin finden, denn auch ich wuchs mit Schwestern auf, und meine jüngste Schwester kam zu früh auf die Welt und erinnerte mich immer an die gebrechliche und liebenswerte Betty. Ich selbst konnte mich mit Jo und ihrer starken, emotionalen Persönlichkeit identifizieren, ihrem jungenhaften Benehmen, ihrer Liebe zur Literatur, ihrer anfänglichen Ablehnung der Ehe und so weiter. Insgeheim war sie mein großes Vorbild.
Die italienische Ausgabe von Betty und ihre Schwestern ist in zwei Bände aufgeteilt, wobei der erste Band die Kindheit und Jugend der vier Schwestern beschreibt. Als ich ein paar Jahre später die Fortsetzung las, war ich enttäuscht und empört. Was war aus meiner Jo geworden? Sie hatte doch tatsächlich geheiratet und Kinder bekommen! Niemals! Ich legte das Buch beiseite und kündigte Jo die Freundschaft.
Die Jahre vergingen und natürlich heiratete auch ich und bekam Kinder, die mir mittlerweile sogar Enkel geschenkt haben. Bei meinem letzten Besuch bei meinen Eltern fand ich das alte verstaubte Buch in einem Karton auf dem Speicher und die längst vergessenen Gefühle der Verlockung und Enttäuschung brachen wieder hervor. Ich nahm es mit nach unten und las es seit Jahrzehnten das erste Mal wieder. Am Ende angelangt, hatte ich mit Jo Frieden geschlossen und fühlte mich nicht länger durch ihre Entscheidung verraten. Auch wenn sie ihre Pläne anpassen musste, war sie ihren Idealen und sich selbst treu geblieben, ihr Herz war lebendiger als je zuvor.
Mir wurde bewusst, dass es nicht nur unumgänglich ist, erwachsen zu werden, es hat auch etwas Gutes. Jemand sagte einmal: „Alt zu werden ist gar nicht so schlecht, wenn du einmal über die Alternative nachdenkst.“ Jede Phase im Leben hat etwas Einzigartiges und ganz eigene Herausforderungen und Belohnungen. Man kann erwachsen werden und trotzdem an seinen wesentlichen Werten und Träumen festhalten, ungeachtet der Hindernisse im Leben. Die Werte bleiben da, auch wenn du sie zeitweilig aus den Augen verlierst, wohlbehütet und jederzeit bereit, wieder ans Licht gebracht zu werden.