Mit langsamen Schritten betrat ich die Unterrichtstunde für japanische Konversation und ließ mich müde auf meinen Stammplatz nieder. Im letzten Semester des Studiums waren Müdigkeit und geistige Überforderung an der Tagesordnung. Der Studienabschluss rückte näher und ich kämpfte mit der ungewissen Aussicht auf einen Arbeitsplatz; gleichzeitig musste ich die letzte Etappe meines Studiums absolvieren. Von all meinen Fächern war dies das schlimmste. Mir graute vor den drei Stunden, in denen ich meine Zunge verdrehen musste, um die Tonlage von Unterhaltungen in einer fremden Sprache zu erreichen.

Nachdem ich einen Dialog mit meinem Partner durchgearbeitet hatte, hörte ich zu meiner Überraschung, wie das Mädchen hinter mir den Dialog ganz alleine las. Polly saß während des ganzen Semesters hinter mir, aber irgendwie hatten wir nie miteinander gesprochen. Ich warf einen Blick über meine Schulter und sah, dass Pollys Gesprächspartnerin abwesend war. Als ich zuhörte, wie Polly sich durch den langen Dialog mühte, zuckte ich zusammen beim Gedanken, an ihrer Stelle zu sein.

„Wie kann eine Person alleine ein Duett singen?“, fragte die Lehrerin scherzhaft. „Polly, such dir einen Partner, der den nächsten Dialog mit dir macht.“

Im Flüsterton fragte ich: „Willst du den Dialog mit mir lesen?“ Pollys Augen strahlten. „Ja, danke!“, flüsterte sie zurück. Wir lasen den nächsten Dialog zusammen, und Polly bedankte sich danach nochmals bei mir. Ich wandte meine Aufmerksamkeit dann den Erklärungen der Lehrerin zu informellen Sprachmustern im Japanischen zu und mein Gespräch mit Polly geriet in den Hintergrund.

Als die Pausenklingel endlich läutete, war ich gerade dabei, mein Lehrbuch und meine Notizen wegzupacken, als Polly sich vorbeugte und mir einen kleinen gelben Post-it-Zettel in die Hand drückte. Außerhalb des Klassenzimmers öffnete ich den Zettel und las:

„Liebe Elsa, danke, dass du heute den Dialog mit mir gelesen hast! Ich wünsche dir einen guten Abschluss! Du kannst das schaffen!“

Ich hatte kaum mit dieser Klassenkameradin gesprochen, aber als Antwort auf meine sehr kleine Geste hatte sie sich die Zeit genommen, mich mit dieser Notiz zu ermutigen. Ich hatte das Gefühl, Gott wollte mir zeigen, ich bin nicht alleine und Er selbst sorgt sich in den kleinen Details meines Lebens um mich.

Immer dann, wenn ich Empfänger von Freundlichkeit bin, so hoffe ich, werde ich mir die Zeit nehmen, Anerkennung zu zeigen, so wie Polly es tat. Außerdem hoffe ich, nach Momenten im Alltag Ausschau zu halten, in denen ich ein Übermittler der Liebe Gottes für andere sein kann.