Kürzlich habe ich festgestellt, meine Vorstellungen davon, wo Jesus als Kind und junger Mann lebte, waren falsch. Ich wusste immer, dass Galiläa im Norden Israels liegt und ziemlich weit von der großen Stadt Jerusalem entfernt zu finden ist, aber erst in letzter Zeit wurde mir klar, wie weit abgelegen Galiläa lag und welche Auswirkungen das auf Jesus und Seine Anhänger und auch auf die Juden Seiner Zeit hatte. Ich möchte dir einige Hintergrundinformationen geben.
Galiläa selbst ist größtenteils eine zerklüftete und hügelige Region, die sich viele Jahrhunderte lang außerhalb des Hauptstroms der jüdischen Kultur und des jüdischen Lebens befand. Als sich Israel nach dem Tod von König Salomo in zwei Königreiche aufteilte, gehörte Galiläa zum Nordreich, das die Anbetung des einen wahren Gottes abschaffte und schließlich im Jahr 721 v. Chr. von den Babyloniern erobert wurde. Zu diesem Zeitpunkt wurden die herrschende Klasse und die Stadtbewohner deportiert, aber es scheint, dass die Armen zurückblieben und ihr Leben weiterführen konnten.
Später wurde das südliche Königreich 586 v. Chr. auch erobert und die Bewohner verschleppt. Doch schließlich durften sie zurückkehren, bauten ihren Tempel wieder auf und stellten die Thora, die ersten fünf Bücher der Bibel, zusammen. Sie richteten ihre Regierung und ihre Religion nach diesen fünf Büchern aus. Mit den verbliebenen Bewohnern des Nordreichs, die in Galiläa lebten, hatten sie jedoch noch immer keinen Kontakt.
Dann gerieten beide Gebiete unter die Herrschaft der griechischen Seleukiden, bis sich die Juden in der Gegend um Jerusalem auflehnten und unter einer jüdischen Dynastie namens Makkabäer ihre Unabhängigkeit erlangten. Als die Makkabäer an die Macht kamen, machten sie sich daran, die Länder in ihrer Umgebung zu erobern, und um 100 v. Chr. nahmen sie das Gebiet von Galiläa ein und setzten ihre Gesetze – die Gesetze aus den ersten fünf Büchern der Bibel – in dem Land durch. Seit dieser Zeit integrierten sich die Galiläer in die jüdische Religion und Lebensweise.
Offensichtlich hielten die Juden aus der Gegend um Jerusalem nicht viel von den Galiläern. Sie sprachen offenbar sogar anders, wie die Bemerkung gegenüber Petrus in der Nacht des Prozesses gegen Jesus zeigt: „Auch du warst mit Jesus, dem Galiläer, zusammen … denn dein Akzent verrät dich.“ 1 Vielleicht sprach sogar Jesus selbst mit einem Akzent, der für die Judäer seltsam klang.
Die Hohepriester und Pharisäer hielten die Vorstellung, ein Prophet, geschweige denn der Messias, könnte aus Galiläa kommen, offensichtlich für lächerlich. Sie verhöhnten sogar einen aus ihren eigenen Reihen, Nikodemus, weil er meinte, dies sei möglich: „Such in der Schrift und sieh selbst – kein Prophet kommt aus Galiläa!“ 2 Und es scheint, das Heimatdorf von Jesus besaß einen besonders schlechten Ruf. Das Johannesevangelium berichtet, wie einer der Apostel Jesu, Nathanael, sagte: „Kann etwas Gutes aus Nazareth kommen?“ 3
Selbst die Römer hielten nicht viel von dieser Gegend. In der Apostelgeschichte wird erwähnt, wie ein gewisser Judas aus Galiläa dort einen Aufstand anzettelte, bevor er getötet und seine Anhänger in alle Winde zerstreut wurden. 4 Auch die Römer schlugen dort in dem Jahr, in dem Jesus geboren wurde, einen Aufstand nieder und zerstörten Sepphoris, die wichtigste Stadt Galiläas, die nur wenige Kilometer von Nazareth entfernt war.
Viele Menschen wissen nicht, dass der größte Teil von Jesu Wirken in Galiläa stattfand und Er nur gelegentlich in Judäa lebte. Kein Wunder, wurde Er von vielen der kulturellen und intellektuellen Elite Seines Landes so schroff empfangen. Manchmal frage ich mich, ob ich Ihn und Seine Lehren auch so schnell angenommen hätte, wenn ich zu dieser Zeit gelebt hätte.
Aber sie sind Ihm gefolgt. Und nicht nur Menschen aus Galiläa, sondern Juden aus dem ganzen Mittelmeerraum. Nur 50 Tage nach Seiner schmachvollen Hinrichtung in Jerusalem versammelten sich Tausende von Juden in Jerusalem, um ein wichtiges religiöses Fest zu feiern, und entschieden, dass dieser Galiläer nicht nur ein Prophet, sondern auch der lang erwartete Messias war, und schlossen sich begeistert der gerade entstehenden christlichen Bewegung an. Was war in sie gefahren?
Die Antwort lautet, Gott ist auf eine sehr bedeutsame Weise in sie gefahren. Die christliche Bewegung war geboren. Und bald waren es nicht mehr nur Juden, sondern Menschen aus den unzähligen Nationen des Römischen Reiches und darüber hinaus solche, die den Glauben an den Gott aus Hintertupfingen annahmen. Es dauerte über 300 Jahre, bis es in vielen Gegenden akzeptabel, ja sogar wünschenswert war, Christ zu sein. Wenn man jedoch bedenkt, dass alles in dem wohl unbedeutendsten Teil der unruhigsten Provinz der römischen Welt begann, mit einem Mann, der etwa drei Jahre lang predigte und in seinen Dreißigern als Verbrecher hingerichtet wurde, ist das schon erstaunlich.