Eines seltenen Tages hatte ich tatsächlich ein wenig Zeit, Organisatorisches zu erledigen. Ich kam zu der nicht besonders eindrucksvollen Selbsterkenntnis, eine Menge „unerledigte Aufgaben“ auf mich warten zu haben, wobei dies meistens persönliche Projekte waren. Bei Aufgaben mit festgelegten Fristen, bemühe ich mich um zeitgerechtes Erledigen. Wenn jemand auf mich zählt, möchte ich sie oder ihn nicht durch eine Verspätung enttäuschen.

Allerdings bleibt Vieles oftmals unvollendet. Kreuzsticharbeiten, vor Jahren begonnen, ruhen halbfertig in einer Schublade. Blog-Einträge – nahezu 200 bis dato – verharren in meinem Ordner. Fotoalben – Unmengen davon – stehen aufgereiht in Regalen, aber oben drauf stapeln sich Umschläge mit Fotos, anstatt eingeordnet in den Alben zu lagern.

Dann gibt es noch geplante Bücher und Novellen, die ich gerne schreiben würde. Ich erstellte eine Excel Tabelle mit Arbeitstiteln. Dort sind mehr als 90 Skizzen für verschiedene Ideen aufgelistet. Eine Spalte beinhaltet die Zeilen, die bisher für jedes Buch vorhanden sind: insgesamt fast 200 000 Wörter, aber nicht mehr als 20 000 für jedes einzelne.

Ich frage mich manchmal, warum ich meine persönlichen Projekte so oft unvollendet lasse. Warum scheint es so schwierig zu sein, auch nur eines davon zu beenden? Und warum nur ist meine Arbeitsweise so ineffektiv?

Ein möglicher Grund wäre, es schwirren immer zu viele Ideen in meinem Kopf herum. Ich erwache aus einem lebhaften Traum und bevor der Morgen vorbei ist, schreibe ich einen Entwurf für ein weiteres Buch. Poesie beginnt, sich in meinem Kopf zu formen, während ich im Bus sitze, etwas lese oder bei sonstigen Aktivitäten.

Und Blogeinträge? Jedes Mal, wenn meine zufälligen Gedanken beginnen, sich zu etwas Zusammenhängendem zu formen, beginne ich zu schreiben. Das kann alles Mögliche sein, von den Erfahrungen des Tages bis hin zu Erinnerungen oder irgendeiner Erkenntnis.

Das ist das Problem. Dauernd fange ich mit etwas nur an. Dann kommt entweder ein Telefonanruf, die Busreise ist vorbei, meine Kinder haben ein Anliegen, ich beende gerade ein anderes Projekt oder muss unbedingt eine Mahlzeit vorbereiten – und das gerade Begonnene bleibt wieder unvollendet.

Ist es Zaudern? Geschäftigkeit? Mangelnde Organisation? Zu viele Projekte im Anfangsstadium? Oder einfach von allem etwas? Was ist die Lösung dafür, ein Schreib-Projekt oder andere Aufgaben von „unerledigt“ in meinem Kopf bis hin zur fertigen Version zu bringen, die dann tatsächlich etwas bewirken kann?

In seinem Buch „The Weathering Grace of God“ schreibt Ken Gire von der Bedeutung der „Stille“.

„Dichter wissen um den Wert der Stille. Sie wissen, wenn sie lange genug innehalten, dann wird ihnen das Kunstwerk in der Stille mitteilen, was daraus werden soll und was es von ihnen abverlangt. Alle Künstler sind sich dessen bewusst, ob sie nun mit Farben, Ton, Worten oder Noten arbeiten.

Michelangelo wusste, er muss still vor dem Stein sitzen, um dem darin verborgenen David zu lauschen. Strauss wusste, wie er vor der Donau innezuhalten hatte, um den in den Wassern wirbelnden Walzer zu hören. Monet hatte gelernt, still vor vor dem Teich zu sitzen und das Flüstern der sich sonnenden Lilien zu vernehmen … Unsere Kultur hat die Kunst des Zuhörens verlernt.“

Die besten Ideen und ihre Vollendung benötigen nicht nur Zeit, sondern auch Stille für Körper, Geist und Seele. Zu lauschen, wie das Kunstwerk vollendet werden soll. Wenn ich stille bin und lausche, werde ich wissen, was mit diesen Ideen zu tun ist und wie ich meine unvollendeten Projekte am besten angehen kann.

Es ist leicht und auch gut, etwas zu beginnen. Gut Ding will Weile haben und etwas bis zum Schluss durchzuziehen, ist nicht immer leicht.

Es erfordert Zeit. Es benötigt Geduld und Glauben. Allerdings fallen uns diese Tugenden nicht gerade in den Schoß. Selten finden wir sie in uns, noch seltener um uns herum. Aber wenn wir aufschauen und Gottes leiser Stimme lauschen, die zu uns flüstert, sooft wir uns Zeit für Ihn nehmen, dann werden wir den richtigen Pfad entdecken. Wir finden heraus, wie wir Begonnenes und das, was Gott in unserem Leben angefangen hat, zu Ende bringen können.

Auf eine Art ist jeder von uns Gottes unvollendetes Meisterwerk. Er startete eine Menge „Projekte“, die alle einen guten Anfang nahmen, alle auf ihre Art perfekt, aber eben noch nicht vollendet. Die Arbeit des Meisters an Seiner Schöpfung dauert an: Das Formen, Gestalten, Zurechtschneiden und Polieren. Es geht mit dem Versprechen einher: „Er machte Alles schön zu Seiner Zeit.“ 1

Und nun schaue dir das an, ein weiterer Leseartikel ist fertig gestellt!

  1. Prediger 3:11